Willkommen im postfaktischen Zeitalter!

 

Nach uns die Sinflut

Herzlich Willkommen im Kristallpalast, dem Weltinnenraum des Kapitals. Hier toben, ungebrochen nach der US-Wahl und den deutschen Landtagswahlen, die parasitären Eliten. Diese Etablierten nehmen nur zur Kenntnis, was sie wollen. Alles andere deutet man „postfaktisch“. Die oberen 10.000 betrachten die ihnen geltende Kritik als ein Hinterherhinken hinter den Ereignissen. Die instrumentalisierte Vernunft hat versagt. In den „herrschaftsfreien Diskurs“ hat das Heidegger-Badiousche „Ereignis“ wie der Blitz eingeschlagen. Der Volkszorn hat einen Riss in der pseudoaufgeklärten Vernunft verursacht, die nun ihren Zynismus offenbart. Hierdurch erlebt ein haltloses System der geistig moralischen Schwäche die Verflüchtigung seiner selbst gesetzten Normen (das vorgeblich Faktische). Dieser unerwartete Schlag, aus einem eigentlich heiter wahrgenommenen Himmel, schmerzt. Die Medienwelt leckt sich die Wunden und ignoriert den eigenen systemimmanenten Tanz auf dem Vulkan. Man verspricht sich mehr Aufmerksamkeit und will sich bessern. Doch man bemüht die gleichen Klischees wie ehedem und fährt fort im „busines as usual“. Der böse alte weiße Mann, die geistig minderbemittelten Unaufgeklärten und ewig Gestrigen gehören nach wie vor gemaßregelt. Die Eliten haben sich einen Popanz aufgebaut, der reagiert unvorhergesehen und man wird ihn nun nicht mehr los.
In den die westliche Welt dominierenden Universalien aus Kapital-Technik-Medium hat das Medium völlig versagt. Wie narzisstisch und selbstverliebt muss es doch sein?

Es hat die Mitbewohner des  Kristallpalastes, die Überdrüssigen, die den alten Narrativen verbundenen Subjekte, die Mieter der unteren und mittleren Etagen, der Hausmeisterwohnung, die Arbeiter, das akademisches Prekariat und den Mittelstand gänzlich übersehen. „Da simmer dabei un dat is prima“ singt das Establishment, tanzt in Sektlaune um die üppigen Fleischtöpfe und fühlt sich durch Alimentierung der Abgehängten befreit. Doch die stehen da und ihre Wut steigt, zumal der Rest der Welt von außerhalb in den Glaspalast drängt und diesem Wutbürger den Platz streitig macht. Das passt gut und lenkt von den parasitären Eliten ab. Dieses auf der Wanderschaft befindliche Prekariat lenkt von der internationalen globalen Finanzkonzentrationen ab. Trotzdem ist da was daneben gegangen. Amerika, und auch Deutschland, haben laut pseudoelitäre Meinungsmacher   „Idioten“ gewählt.

Es fragt sich aber , wer ist denn wirklich der uninformierte postfaktische Idiot, die „Eggheads“ von der amerikanischen West- wie Ostküste oder der darbende zunächst von Arbeitsrobotern ersetzte Arbeiter im Mittelwesten, dessen Arbeitsplatz dann auch noch nach Fernost verlegt wurde? Was ist mit dem Ruhrgebietskumpel, dem Grubenarbeiter, deren Job abgeschafft wurde, damit Träume von Luftreinheit verwirklicht werden können? So lebt man unterhalb der Kristallkuppel nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut“, und man schaut ob des unvorhergesehen Wahlausganges, wie Artisten in der Zirkuskuppel, ratlos. Doch Sintflut heißt auch Aufstand, Revolte, Revolution. Marie Antoinette fragte am Vorabend der Revolution, warum die Leute denn so toben. Auf die Antwort, sie hätten kein Brot, meinte sie, dann sollen sie doch Kuchen essen. Das schildert auch die derzeitige Haltung des Establishments, welches dies „dumme Volk“ hinreichend alimentiert wähnt. Trotzdem schaut niemand der faktisch Etablierten hinter oder unter sich.
Einer von den „Idioten“ meinte im öffentlich rechtlich TV, jeder empfinde die Welt so, wie sein Verstand sie ihm vorgibt. Da lacht ein borniertes Publikum aus medial normierten indifferenten Subjekten. Sie lachen, weil sie für faktisch halten, was ihnen das Simulakrum einer fremdgesteuerte Medienwelt vortäuscht. Diese Medienwelt pflegt ihr selbst gesetzte Norm. „Alle Menschen sind doch gleich!“ Haben sich Modelinke aufs Panier geschrieben. Ja, das stimmt, aber doch nur im Bereich der täglichen Notdurft. Und wer gleich ist, das gibt das Establishment vor. Doch dies Establishment versteht sich keinesfalls als gleich mit Trump und dessen europäischer Kettenreaktion. Da hört die Gleichheit dann doch auf.

Den kulturell-zivilisatorischen Überbau (Was den Menschen als Menschen überhaupt ausmacht und vom Tier unterscheidet.) schiebt man beiseite. Selbst ein Erbsen zählender Finanzminister, hält nationale Kultur für obsolet, weil diese sich nicht rechnet und er seine eingebildete Faktizität nicht hinterfragt sehen möchte. Da lässt eine hysterische Linke sich als permittive Internationale auf den von Geldgier getriebenen kapitalistischen Globalismus ein. Die Vertreter der Geldreligion und die Linke ziehen am gleichen Strang, der linke Internationalismus und der schrankenose Welthandel ziehen an einem Strang. Gerade das macht die Linksliberalen so hysterisch und sie gestehen sich das, bar jeder Selbsterkenntnis, nicht ein. Das Kapital hat alle Staatsbürger längstens verspekuliert. Denn hier, im Weltinnenraum des Kapitals, zählt nur das, was als Ware taugt.  Salonlinke, Vulgärmarxisten und ihre Antifazis wie linksliberale theoriedefizitären Klippschüler als  Kollaborateure des Mediums leben immer noch in ihren alten überholten Erzählungen. Man fühlt sich vom eigenen Prekariat befreit, wenn man es mit den prekären Migrationsströhmen konfrontiert. Wer spricht denn da noch von Lohnerhöhungen und sozialen Verbesserungen. Die Flüchtlingsströme lenken den Blick vom Klassenkampf. Ausländer und Ausländerfeinde paralysieren sich gegenseitig und lenken von den parasitären Eliten ab.  Es ist das alles, was den öffentlich meinenden Scheinmenschen dieser Eliten Freude macht. Wer ist denn da überhaupt noch in der Lage, Michel Houellebecq gedanklich zu  folgen? Wer hat da irgendetwas von Sloterdijks „Kritik der zynischen Vernunft“ in Erinnerung? Die Hinweise sind da, noch und nöcher. Doch man bleibt dabei und folgt seiner eigenen Paranoia. Der französische König Ludwig XVI wartete im Kerker auf  die Guillotine und hatte gezwungenermaßen Zeit, zu lesen, was die französischen Aufklärer so alles geschrieben hatten. Hätte er das alles gewusst, hätte er anders gehandelt, sagt er. Diese Erkenntnis kam spät. Gebt Acht ihr parasitären Eliten, dass ihr nicht eines Tages, angesichts eines nahenden Endes, ähnliche Erfahrungen machen müsst.

Man beruft sich auf angeblich wissenschaftliche Erkenntnisse, welche das Establishment in seiner Anmaßung stützt. Jedoch die Verlogenheit der Wissenschaft, ihre wohlfeile Grundhaltung, war schon ein Thema für Sokrates und Platon. Deren Verachtung war den Sophisten sicher. Liefern sie doch die Wahrheitserkenntnis dem, der sie bezahlt. Sie verleugnen die Dialektik und das Paradox und schwiemeln dieser Gesellschaft vor, die alleinige Wahrheit erkannt zu haben. Schon Sir Raimund Popper bezweifelt die Wahrheitsrelevanz der Sozialwissenschaften, weil dort die empirische Kontrolle fehle.  Heute nennt man solche Sophisten „Wissenschaftler“. Allein die lästige und ausgesonderte Philosophie denkt das Paradox, weil sie von der Inkontingenz der Tatsachen weiß. Doch der willfährige Sophismus liefert dem Medium im KTM seinen Wahrheitsvoluntarismus. Wer das nicht glaubt, wird von der medialen Inquisition gegeißelt. Die sophistische Wissenschaft führt seinem vergewaltigten Publikum vor, warum ihr Wissenssimulakrum Macht ist. Das erweist sich als moderner wohlfeiler Sophismus. Wo man sich als „linksaufgeklärt“ hypostasiert, muss jede Kritik daran als „rechts“ und „böse“ desavouiert werden, wobei man sich jede Differenzierung erspart. Das Instrument der Walserschen „Ausschwitzkeule“ erfährt viele Varianten. Doch was oft eingesetzt wird, entwertet sich. Die Kirchenvertreter dieses selbstgefälligen Establishments bagatellisieren die orientalischen Zwangsehen mit Minderjährigen und hält den „Kampf gegen Rechts“ für wichtiger.
Diese Moderatoren des Faktischen instrumentalisieren das Recht zum beliebig Pragmatischen. Wer aber das Prinzipielle dem Pragmatischen vorzieht, muss damit rechnen, als fehlgeleiteter Radikaler oder Krimineller desavouiert zu werden. Diese Keule hat man leichter zur Hand als eine demokratisch geführte Diskussion. Doch die „Doofen“ sind immer die Anderen und bloß nicht die Händler des wohlfeilen Wissens. Man malt sich die Welt des Faktischen im Kristallpalast so süß, dass es einem die Zähne auszieht. Lügen und Unaufrichtigkeit bleiben Mittel der zynischen Vernunft, und die Wahrheitslegastheniker beschreiben in ihren Medien den prekären Marionetten die Welt des Faktischen. Die Universalien aus KTM arbeiten hier stark miteinander verflochten Hand in Hand. „Faktisch“ hat mit „wirklich“ nun nichts zu tun! Laut Kant ist das Faktische eine im Verstand vorgegebene Form der Anschauung. Faktisch ist das, was unser Verstand als Affekt anerkennt. Leider sind Trump und Anhang völlig anders affiziert. Wie sehr muss man in eigenen Regionen leben, wenn man dies nicht bemerkt, ja nicht bemerken will. Man lässt Menschen ins Land, deren Faktizität ebenfalls eine andere ist, die Homosexualität, Feminismus, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, eine offene Gesellschaft ablehnen. Gleichzeitig brandmarkt man Trump als Vertreter dieses Ressentiments und übergeht ganz nonchalant das eigene.

Aber das eigentlich Faktische bleibt seit Beginn der industriellen Revolution die m-t T (mathematisch-technische Topografie, siehe Trawny). Sie ist das eigentliche beinahe metaphysische Movens aller Auseinandersetzungen im Kristallpalast. Und ohne Not, aus blanker Verstiegenheit, haben die übergeschnappten Etablierten die Pforten fürs pT (poetische Topologie)  geöffnet. Denn hier pflegt man sämtliche Narrative wie Kunst, Religion, Politik, Kulturgeschichte und vor allem alte, hier überholt geglaubte, Erzählungen. Da bricht mit diesen Massen eine wenig attraktive Kulturen, vor allem Religion ein und verflüssigt unsere Denkrenaissancen, Reformationen, Aufklärung. Diese eingleisig religiös deformierten Säugetiere dringen ein und fordern ihre Teilhabe an der Alimentation ihrer prekärer Zustände. Nun muss die untere Etage im Kristallpalast teilen und diesem Einbruch zu arbeiten. Alle Beschwichtigungen und Ableugnungen nutzen nichts. Die Zustände geraten immer prekärer. Wer kein Geld hatte, der besaß immerhin seinen Ethos, seine Moral, seine Kultur. Aber auch diese werden ihm nun genommen. Das Establishment bestreitet dem Volk seine tradierte Welt und will diese nicht wahr haben, weil sie nicht finanziell verwertbar ist. Doch das Aufkommen des Bürgerprotestes trägt eine Dialektik ins selbstherrlich Eigensüchtige, welche das Paradox im Faktischen offenbart und die Rechnung präsentiert fürs Tanzen in der Zirkuskuppel. Denn wer die Musik bestellt hat, der muss zahlen (Wahltag-Zahltag), sonst explodiert der Kristallpalast und der Weltinnenraum des Kapitals gerät zum Freilichtkino für die ganze darbende Welt. Der privilegierte Platz an der Sonne ist nicht für alle Ewigkeit gesichert. Das Geschwätz vom Postfaktischen soll die parasitären Eliten vor dem Verlust der Dominanz kaschieren. Und das Gerede vom Rechtspopulismus kaschiert den Mangel an ethischen Überlegungen.