Sein und Sexuierung (Teil I und II)
Widerlegung des Genderwahnses Teil I
Wie fassen wir die sexuelle Existenz, die libidonöse Grundexistenz des Menschen auf? Im Folgenden findet eine psychoanalytische Philosophie bzw. philosophische Psychoanalyse zur Sexuierung des Menschen unter dem Arbeitstitel „Sein und Sexuierung“ statt.
Genaugenommen müsste es im Rahmen der ontologischen Differenz heißen „Dasein und Sexuierung“, denn das Sein des Menschen ist ein besonderes Sein, weil es Bewusstsein hat. Der Mensch hat das Selbstbewusstsein um seine Existenz (cogito ergo sum / ich denke als bin ich). Das ist mit dem Begriff „Dasein“ gemeint.
Es geht also hier um das Dasein des Menschen und um seine Sexuierung.Damit stelle ich hier den jungen französisch-tunesischen Philosophen Mehdi Belhaj Kacem und dessen Überlegungen zu Sein und Sexuierung vor. Es handelt sich um die einleitende und vorstellende Kurzfassung seines Hauptwerkes zu diesem Thema.
Zum besseren Verständnis mache ich hier einige Vorbemerkungen über die philoso-phischen psychoanalytischen Denker, auf die sich Kacem bezieht. Kacem entkommt grundsätzlich dem Poststrukturalismus. Das ist die Philosophie, die nach dem französischen Existentialismus in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mit Foucault und Levi-Strauss aufkam und sich auf den ersten Strukturalisten Ferdinand de Saussure (1857-1913) bezog. Damit übernimmt Frankreich so etwas wie die Führerschaft in der Philosophie, die vorher Deutschland spätestens seit Kant innehatte. Während Kant die Erkenntnis bei dem Verstand und der Vernunft und die Wirkung der Sinne fest machte, erklärt der Strukturalismus das Verstehen der Welt aus der Sprache und den ihr zugrunde im Dunkel liegenden Strukturen.
Foucault versteht die Geschichte als Gewebe von monströsen Konjunktionen von Kontinuitäten/Diskontinuitäten (was auch in das Dasein der Sexuierung einfließt). Hieraus entwickelt sich Denken und Verhalten der Menschen. Das untersucht empirisch Levi-Strauss bei den sog. Naturvölkern. Dabei erfährt er, wie wenig Natur und Kultur zu trennen sind.
Grundlage für Kacem ist der strukturalistische Psychoanalytiker Jacques Lacan (1901-1981). Dieser beschäftigt sich mit dem Sprachcharakter des Unbewussten und findet zur Theorie des Begehrens. Jedes Kind tritt seit der Geburt mit dem Spracherwerb in eine symbolische Ordnung ein, die aber seinen speziellen Wünschen nie ganz angepasst ist. Folglich wird sein Begehren nie ganz erfüllt, sondern „am Laufen gehalten“. Die symbolische Sprachordnung empfindet das menschliche Subjekt als das Andere, ihm selbst Fremden. Doch es begehrt dies Andere, was die Welt ist.
In diesem Anderen = Welt spiegelt sich das Ich, was einem narzisstischen Verhalten gleichkommt. Dieser Narzissmus lässt das Ich Allmachtsphantasien entwickeln, wie z.B. den Machismo oder Feminismus. In diesem Spiegelstadium zeigt sich die Ent-fremdung der Welt. Den Zugang zu dieser entfremdeten Welt sieht Lacan real, symbolisch, imaginär.
Diese Wunschmaschinen an die Welt versteht Deleuze als ein Begehren unterschiedlichster Art, welches keinem hierarchischen Denken unterliegt. Die Sinneswahrnehmungen unterliegen also keinem souveränen Ich oder dessen ordnenden Verstand. Im Sinne von Nietzsches „Willen zur Macht“ entspringen dem Ich verschiedene Wunschfaktoren, was zu vielen Individualitäten führt. Kacem spricht da von „Singularitäten“, die unterschiedlichsten Begehren entspringen. Der neugeborene Mensch entwickelt bei der Wiederspiegelung der ihm zunächst ganz fremden Welt ganz ihm eigene individuelle Lüste, was zu divergenten Singularitäten führt. Es sind nicht alle Menschen gleich (aber gleichwertig). Jeder Mensch ist frei, seine eigene Singularität zu entwickeln und auszuleben. So kann es keine objektiv richtige Norm geben. Daher gibt es auch nicht die Gender-Gleichheit. „Den Mann“ oder „die Frau“ gibt es nicht! Jede/r Mann/Frau der/die existiert oder den/die es je gegeben hat, sind Beispiele einer Möglichkeit von Mann/Frau. Erst, wenn es Mann-Frau oder Frau-Mann nicht mehr gibt, die Entwicklung also abgeschlossen ist, lässt sich urteilen, was Frau und Mann sein könnte.
Diese Offenheit betont Alain Badiou, der da wohl vom Existentialismus a la Sartre beeinflusst ist. Denn Sartre betont, dass über einen Menschen erst nach seinem Tode geurteilt werden könne. So lange man lebe, habe man stets die Möglichkeit zu wählen und sein bisheriges Leben zu bestätigen oder zu nichten und eine neue Richtung zu geben. So spricht Badiou von der unendlichen Vielfalt der Subjektivitäten, deren Sein (= Dasein) und der Begrenztheit im System. Gegen die Dogmatik des Systems, dem Normativen, führt Badiou das „Ereignis“ an. Das Ereignis tritt als Lücke im System an. Es steht für eine Leere, die das System offen gelassen hat, weil es nicht systematisch bedacht ist. Man kann daher das Ereignis als einen Riss im Seienden verstehen, der den Mangel des Systems offenbart. So kann man den Volksaufstand von 1989 in der damaligen DDR ein „Ereignis“ nennen, er stellte sich eindeutig als ein Riss im System heraus.
Natürlich spielt die philosophische Kombination von Nietzsche und Heidegger hier, wie bei allen Strukturalisten eine Rolle. Mit „Ereignis“ ist an eine Innovation von Martin Heidegger gedacht, dem wohl größten Philosophen des 20. Jahrhunderts (auch wenn er „ Nazi“ war).
(Was glauben Sie, was Heraklit, Parmenides, Platon, Fichte, Hegel und Marx waren?! Der deutsche Verfassungsschutz würde sie heutzutage bestimmt beobachten.)
Kacem bezieht sich auf Heideggers Rede vom „Ereignis“ und dem Sein. Obwohl er Heideggers Seinslehre m.E. nicht korrekt wieder gibt. Denn er spricht nirgendwo die „ontologische Differenz“ an, die doch in Heideggers Seinslehre grundlegend wichtig ist. „Ontologische Differenz“ meint die Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem. Das Sein der Welt, was alles in ihr geschieht in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ob tatsächlich oder in den Köpfen der Menschen, das alles gehört dem Seienden. Seiendes ist die Mannigfaltigkeit der Welt. Doch ursächlich entkommt das dem großen umfassenden Sein. Alles, wirklich alles, versteht Heidegger als Entäußerung des totalen Seins (Parmenides). So gehört Kacems Thematik dem Seienden zu, weshalb ich von Dasein (dem sich seines Selbst bewussten Seienden) und Sexuierung spreche.
Hier bei uns im Seienden stehen Platon bis Hegel (Marx) für die Vertikalität im Denken. Das heißt, dass Platon der erste „Phallokrat“ der Kulturgeschichte ist. Es bedeutet, dass dieses Denken von absoluten Tiefen, größter Niedertracht bis in grenzenlose Höhen absoluter Verzückung zuständig ist, wie es etwa der deutsche Idealismus mit Fichte, Schleiermacher und Hegel versucht. Da löst sich der höchste Gott in völlig abstraktem Denken als a priori auf (Sloterdijk warnt nicht von ungefähr vor den „Verstiegenheiten“ des Geistes). Das ist im Wesentlichen die bis heute dominierende Kultur wie Zivilisation. Sie ist patriarchalisch, männlich. Kacem ortet Badiou noch in dieser Vertikalen. Es dominiert der Machismo (Religionen, Ideologien, Theorien = männlich phallische Ideen). Das markiert das vertikale Denken.
Dagegen breitet sich die Horizontalität aus. Für dies horizontale Denken stehen Aristoteles, Spinoza und heute für Kacem vor allem Deleuze. Horizontalität sieht die Weite der Welt vom hier und jetzt bis in die unbekannte Unendlichkeit des Universums. Hier versteht sich zunächst die Weiblichkeit. Negativ ausgedrückt kann man sagen, so wie sich der Mann in der Transzendenz versteigt, auf dem Berggipfel steigt und nicht mehr weiter weiss (und zur Neurotik tendiert), so verläuft und verirrt sich die Frau in der Weite der Welt (und neigt zur Hysterie). Der Mann ist hier eingeladen zur weiblichen Weitläufigkeit!
Daraus folgt, dass männliche Libido normativ eindimensional und immer das Selbe ist und die weibliche Libido offen mehrdimensional variabel scheint. Mann will die Welt normativ statisch und trennt Natur – Kultur. Frau empfindet die Welt offen, instabil und sieht Natur und Kultur ineinander verwoben (Badiou sieht zunächst auch danach aus, bleibt aber wegen seiner mathematischen Konstante für Kacem Platoniker).
Wie es von dieser Situation aus zum Sein und Sexuierung kommt, sehen wir im Folgenden.
Dasein und Sexuierung / Anti-Gender
Mehdi Belhaij Kacem schreibt in seinem „Protreptikos zur Lektüre von Sein und Sexuierung“ (Merve Verlag, Berlin 2012) wie unser aller Dasein sexuiert wird und die Libido das Verhalten des Menschen in der Welt steuert. Durch sexuelle Separierung erscheint dem Dasein sein Weltbild. Das Weltbild ist das, was Wille und Vorstellung wiederspiegeln (Schopenhauer, Lacan).
Keine Frage Kacem ist Freudianer und Lacanier zugleich. Er betreibt eine psychoanalytische gesteuerte Betrachtung des Daseins. Selbstverständlich handelt es sich um eine psychoanalytische Ontologie (Lehre vom Sein), also um eine Psychoanalyse, die auf Ontologie basiert. Womit deutlich wird, dass man es hier mit einer philosophischen Analyse zu tun hat, die die Sexuierung der Psyche durch ihr Dasein beobachtet.
Begonnen hat so etwas mit Freud, genaugenommen mit Nietzsche, die als erste auf die Wirkung des Unterbewussten kamen. Sie thematisieren die Steuerung des Bewusstseins durch das unterdrückte Unterbewusste. Darunter leiden besonders neurotische Männer und hysterische Frauen. Die Welt ist voll davon. In dieser Welt spiegelt sich ja das Ich (was immer das ist). Dies hier nun angenommene Ich betreibt seinen Narzissmus mit selbstüberschätzenden Allmachtsphantasien. Bei den Männern kulminiert das im Machismo. In dem hier angesprochenen Spiegelstadium zeigt sich eine Entfremdung von Welt. Weil das, wo das Ich sich spiegelt, dem Selbst nicht zugehörig ist. Es ist der Urzustand bei dem das Ich beginnt sich mittels Differenz zur Welt zu konstituieren. Es wird dermaßen von der Welt affiziert und fremdbestimmt, dass dies Ich-Subjekt sich aus dem Blick verliert und sich entfremdet. Diese fremde Welt, die das Ich umgibt, dominiert die Sprache als gemeinsamer Nenner einer Gesellschaft. Deren Sprachkultur betreibt das Menschsein in der Gemeinschaft. Dort meint Sprache nichts anderes als unwillkürliche Symbole für hinter der Sprache stehendes Gemeintes. Die Strukturalisten unterscheiden daher Signifikat (Gemeintes) und Signifikant (Gesagtes). Signifikant „Baum“ meint eine bestimmte große pflanzliche Erscheinung der Natur (Signifikat). So erweist sich Sprache als das Andere. Dies Andere ist dem Ich unwillkommenes Fremdes. Doch es hilft nichts. Sprache muss sein, sonst bleibt das Ich isoliertes Vereinzeltes (wir behandeln hier die „Sprache“ der Sexualität). Wo doch dies Ich-Subjekt die Welt begehrt. In dieser Welt erkennt sich dies Ich als Anderes unter Anderen.
Wir halten also mit Lacan fest: A) die Welt ist real (modern = positiv gegeben), B) die Welt ist symbolisch (steckt voller deutbarer Zeichen), C) die Welt bleibt imaginär (was ist das Weltbild bzw. die Weltanschauung, Welt als Wille und Vorstellung). Diese Wiederspiegelung der Welt provoziert jede Sexuierung und die Sexuierung formt die Welt.
Kacem beginnt mit Deleuze und dessen Betrachtung zum Masochismus. Lautet doch der Kern der Untersuchung der Sexuierung „Begehren und Genuss“. Wo findet das hier statt? Warum sind Sado-Maso-Clubs und -Treffen so in, wo sadistisches Ausleben und masochistisches Leiden als – scheinbar -komplementär behandelt werden. Bei genauerer Hinsicht ist dem aber nicht so. Komplementär scheint eine seltene Größe in der Sexualität, wie etwa „Mann“ und „Frau“, sowenig wie männlich homosexuell und weiblich homosexuell. Natürlich geht es prinzipiell um Begehren und Genuss.
Der Mensch begehrt die Welt, das Ich richtet seinen Trieb auf die Welt, es will diese Welt genießen. Hierauf richtet sich das Begehren, hier will man zum Genuss kommen. Das paranoische Subjekt der wissenschaftlichen Zivilisation ist dies Ich. Dies Ich muss hinnehmen, dass es heute durch eine korrumpierte Psychologie im Dienste des Unternehmertums behandelt wird. Höher als eine Normalität gilt eine Utilitarität im Sinne einer funktionierenden Gesellschaft. Der egomane Leistungsverweigerer gerät da schnell zum Idioten. Der sich der Gesellschaft Verweigernde läuft Gefahr bald in die „Klapsmühle“ zu kommen.
Kacem plädiert für eine weite, offene und fließende Gesellschaft und deren Sexuierung. Diese Sexuierung erhält Leitung durch den Begehr und Willen nach Lust. Kacem seziert mit Deleuze den Masochismus als endloses Begehren. Er eröffnet den Blick auf den Masochismus, wobei sich auch ein neuer Blick auf die Schizophrenie ergibt. Denn diesem Schizophrenen unterstellt man, dass er nicht immer zwischen Genuss und Begehren unterscheiden kann. Insbesondere Frauen unterstellt man gerne diese Form der Paranoia. Wo doch das 20. Jahrhundert genug Beispiele paranoider Männer kennt.
(Hitler, Stalin wie Mao steckten voller Begierden, waren aber nicht in der Lage zu genießen.)
Der Masochist steht zunächst auf ironischem Grund. Er sucht sich seine Domina. Diese soll mit ihm ein Spiel spielen, eine listige Konstruktion ausführen, damit das Begehren anhält und nicht vorzeitig aufhört. Dabei stellt der Masochist seinen Über-Vater in die Ecke und ersetzt ihn durch die Über-Mutter. Die Matrone Domina spielt mit dem Masochisten, wobei es als ausgemacht gilt, dass es zu keiner Penetration kommt. Körperkontakte sind nicht vorgesehen. Man hält den Vorgang trotzdem für Sex, obwohl kein realer Sex stattfindet. Denn das Über-Ich ist die Mutter, während es für den Durchschnittsneurotiker der Vater ist.
Aus einer Philosophie des Begehrens entwickelt Deleuze das, was den Masochisten auszeichnet. Das ist das Programm. Der Mann begehrt scheinbar Sex, den die Domina nie gewährt. Ein „Motherfucker“ ist er ja nicht. Da kommt Spinoza dem Kacem in den Sinn. Spinoza ist der Philosoph eines Pantheismus, dessen Denken weniger in die Höhe als in die Breite und Weite der Welt geht. So ausbreitend ist auch der Masochist. Er will keinen Höhepunkt sondern die unendliche Weite und will sein Spiel so lange wie möglich in die Länge ziehen. Vom Sadisten unterscheidet ihn, das er seinen Genuss nicht im Kommen sieht. Der Genuss des Masochisten liegt im – endlosen – Begehr. Dieses Begehren füllt seine Lust. Während unsere – sadistische – Welt Genuss in der schnellen Ejakulation findet. Man kann konstatieren, dass alle Welt, besonders die Medienwelt, von schnellen Orgasmen sadistischer „Wichser“ wimmelt. („Alle kommen zu früh“ wie eine mir bekannte Dame meint.) Der lange rausgezögerte Begehr wie Genuss des Masochisten bleibt diesen zeitgenössischen Sadisten fremd. Diese libidonöse Allerweltsökonomie verweilt im spätpubertären Abspritzen. Alle sind eher zu früh als zu spät. Die Tagespolitik zeigt das. Der Masochist bleibt stattdessen lieber im Begehr, schiebt den Genuss bis zur Unkenntlichkeit hinaus. Es herrscht das Phantasma!
Mit Lacan lässt sich sagen, je mehr der Mann im Begehren verharrt, umso mehr wächst das Phantasma. In diesem Phantasma verharrt der Masochist freiwillig. Das Fälligwerden des Genusses, des Ejakulierens versucht er so lange wie möglich auf zu schieben. Der Sadist kennt dieses Phantasma nicht. Ist der Masochist stoisch im Genuss?
Was ist mit einem masochistisch veranlagten Volk in einer sadistisch geleiteten Welt? Mit den stoischen Deutschen macht man sich da so seine Gedanken. Die anglikanische Welt neigt eher dazu, ihren Sadismus auszuleben. Auch die Weltreligionen erwarten durchgängig von ihren Gläubigen masochistisches Verhalten.
Kacem sieht dies Thema ontologisch (philosophische Seinslehre). Er fragt, wie genießt der Masochist sein Dasein im Unterschied zum Sadisten. Ironischerweise scheint es so, dass die Domina dem Masochisten zu seinem wahren Sein verhilft. Diese Seinsweise erweist den Masochisten als keusch. Bekanntlich ist Keuschheit ein Thema der Theologen und Philosophen. Wir kennen Spinoza als den allerkeuschesten aller Philosophen. In der Keuschheit findet kein Mangel statt, denn das Begehren stellt einen Wert an sich dar.
Bei Deleuze klingt das etwas widersprüchlich, wenn er anscheinend den phallischen Genuss noch zu vermissen scheint. Der Masochist weiß nichts davon. Wo ist der machismotypische Lustfaktor, dessen Kult der Lust von Hass und Angst bestimmt ist? Ist das Begehren nicht auf Lust ausgerichtet? Die masochistische Konsistenzebene des Begehrens scheint schwer verständlich in einer phallisch dominierten Welt. Phallisch geleitete Denker können das Begehren nur auf das Gesetz des Mangels und der Lustnorm beziehen. Setzt man diese Betrachtungsweise fort, das Begehren nicht allein stehen zu lassen können, sondern auf die Lust, auf einen zu erreichenden Genuss der Lust zu beziehen, bemerkt man bald, dass essentiell was fehlt.
Zur ehemals höfischen Liebe etwa gehörten Prüfungen, die diese Lusterfüllung durch Koitus aufschieben. Da geht es nicht um Entsagung, sondern um die Konstitution eines Immanenzfeldes. Immanent ist dieses Begehren, es erfährt keine Abfuhr oder Entladung. Es ist nicht im Sinne des Erfinders, dass das Begehren sich entlädt, weil es zu schwer geworden ist. Bei diesem Spiel, auch das der höfischen Liebe, gibt es zwei Feinde. Diese gehen hier ineinander über, die religiöse Transzendenz des Mangels und die hedonistische Interpretation, die diese Lust als Abfuhr/Entladung einführt. Beides sind Bewegungen, die die Lust am „Liebesspiel“, die Lust allein als Erfüllung konterkarieren. Die Lust des Masochisten, die Erniedrigung, das Leiden, all das um die sexuelle Angst zu bannen, ist verboten. Weil es nicht dem religiösen Sinn einer vorgegebenen Fortpflanzung dient. Der Geschlechtsakt, der allein der Kinderzeugung und Aufzucht dient, erscheint nicht als Gebiet des Masochisten. Mit seiner verbotenen Lust betreibt er ein ausgeklügeltes egomanes Verfahren zum Erreichen seines Begehrens.
Das läuft selbstverständlich der gesamten post-pornographischen Zivilisation und deren Genussgier zuwider. Der Diskurs läuft so, dass Lusttrieb und Tod auf eine Stufe gestellt werden. Es ist der konservative Diskurs der Religion. Also haben wir den Genuss, die Lustabfuhr, die der Masochist oder der höfische Liebhaber bis ins Unendliche aufschieben und die Konsistenzebene ihres Begehrens voll und ganz aufblähen. Je weniger man zu genießen hat, umso mehr begehrt man und verharrt in der Wollust des Phantasmas. Doch das hier Vorgetragene beschreibt allein die männliche Position.
Was aber ist los auf Seite der Frau? Ist für sie auch der Orgasmus Genuss und Unterbrechung des Begehrens, wie eine sadistische Pornoindustrie uns glauben machen will? Diese Frage macht die meisten Frauen ratlos. Mindestens ein Drittel aller Frauen hat nie einen Orgasmus (vorsichtig geschätzt), kommt nie zum sexuellen Genuss. Wahrscheinlich sind es gar zwei Drittel aller Frauen. Das nennt man Frigidität. In unserer Gesellschaft ist es schwierig für die Frau zu einem Begehren zwecks Lusterfüllung zu kommen.
Das erweist sich als meist unmögliches Ansinnen. Leider bleibt die Frau Instanz des Begehrens jedes krankhaften Begehrens. So greift die Frigidität um sich und gebiert die Hysterikerin, während der Mann rücksichtslos seinen Lustgewinn durchsetzt. Das formuliert Deleuze und sieht den Topos des Genusses dialektisch gegenüber dem des Begehrens, der vom Genuss unterbrochen wird. Auf Seiten der Frau funktioniert diese Sicht nicht. Das kündigt an, dass die Sexualität der Frau sich von der des Mannes unterscheidet. Kacem zitiert hier einen böse ironischen Satz von zwei ihm persönlich bekannten lesbischen Damen. „ Der heterosexuelle Koitus ist so, dass der Mann versucht nicht (zu früh) zu kommen und auch nicht kommt. Die Frau versucht zu kommen, sie kommt aber nicht.“
Dem Mann gelingt es, nicht zu kommen, mit Hilfe der Domina und unterwirft sich damit der Domina. Das ist Masochismus! Man fragt sich, was dabei mit der Domina geschieht, kommt diese zu irgend etwas? Zweifelsohne gibt es ihr einige Befriedigung, nur welche Art der Befriedigung? Der Masochist erlebt die Fülle seines Begehrens, weil er nicht mehr Sklave seines Genusses ist. Daran hindert ihn ausgerechnet die zur Domina geratene Frau. Sie hindert ihn daran zu genießen. Doch was ist mit dem Genießen der Frau?
Man weiß nichts vom Genießen der Frau, obwohl viele Psychoanalytiker sie fragen. Aber es liegt keine klare Antwort vor! Daher flüchtet die Psychoanalyse in Beschreibungen und es bleibt die Frigidität. Die Frau empfindet ihre Sexualität, weiß aber nichts davon.
Dagegen stelle man den phallischen Genuss auf der männlichen Seite, als Punkt der Unterbrechung des Begehrens. Was Kacem in Anlehnung an Badiou als entstehenden Mangel im Begehren, als eine Leere im Begehr deutet. Die Frau, die von diesem Genuss nicht viel weiß, versteht auch daher dies Begehren nicht. Wie sollte sie begehren, wenn sie vom Genuss nichts weiß? Man weiß zu wenig vom weiblichen Genuss. Wir schwimmen lt. Kacem in einem Ozean von Unwissenheit trotz sogenannter sexueller Befreiung und Massenpornografie.
Da hilft sich Kacem mit einem Blick zurück zu Rousseau, dem Begründer der philosophischen und politischen Moderne. Ohne dessen Gedanken Kants Philosophie (und die Hegels wie Nietzsches?) anders ausgesehen hätte. Kacem meint die Abhandlung „Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen“. Diese Schrift bereitete die französische Revolution vor und verursachte das Transzendente von Kant wie auch die Negativität Hegels. Ja es lässt sich festhalten, das in diesem Text Rousseaus die transzendente Negativität geboren wird. Rousseau selbst sagt eigentlich wenig darüber nur: „Ich habe einige Vermutungen gewagt.“ Ihn interessiert die Zäsur, durch die der Mensch aus dem Naturzustand „heraus springt“. Der Mensch macht das mittels sprachlicher und technologischer Geschicklichkeit. Damit begründen sich sämtliche politischen Probleme, der nicht natürlichen Herleitung von Privateigentum. Rousseau erklärt den Naturzustand allein negativ.
Mittels kultureller Zäsur verlässt der Mensch seine Animalität, was aber nicht in Rousseaus Text steht. Trotzdem lebt der Mythos vom edlen Wilden, der an der frischen Luft lebt und niemanden Böses tut. Dagegen meint Rousseau, dass der tierische Ursprung negativ gestrichen wird, um in den positiven Kulturzustand über zu gehen. Dieser Kulturzustand entfaltet die Errungenschaft der politischen Enteignung durch Existenz des Privateigentums mittels einmaliger anthropologischer Einfriedung (m.E. entstand Eigentum durch Kultivierung von Pflanzen und Domestizierung). Kacem zitiert Lacue-Labarte: „die Animalität des Menschen ist eigentlich nicht das, was Rousseaus Aufmerksamkeit erregt. Auf der Seite der Erzählung oder ‚Vermutung’ ist die Sache schnell abgehandelt.“ Das Tier im Menschen definiert Rousseau schlicht als das Tier der Bedürfnisbefriedigung. Ihn interessiert halt der Sprung über das Bedürfnis hinaus, der die Kultur erklärt. Dieser Sprung führt zur transzendentalen Reflexion Kants, also zu dessen Untersuchungen auf das der menschlichen Kultur Transzendente hin. Das der Kultur Transzendente ist der metaphysische Bereich, den wir nicht zu erkennen vermögen, weil wir keinerlei Erkenntnisorgane dafür haben. Nach Kant können wir zwar in diese Richtung denken, doch die Antwort liegt allein in unserer Vernunft. Das heißt unsere Ursprünge von Kultur bleiben allein rational erklärbar und nichts darüber hinaus. (Da klingt wiederum Descartes Rationalismus durch.) Hegel setzt sich ein, dies dialektisch zu begründen. Er betreibt die Dialektik des negativen Ursprungs, mit anderen Worten die Verneinung (Behauptung/These – Verneinung/Antithese = Aufhebung/Bewahrung). Was liegt also vor, bevor der Mensch artifiziell also Mensch und nicht mehr Tier ist, was verneint er durch seine – artifizielle - Technik?
Sade hält die schlimmsten möglichen sexuellen Ausschweifungen für schlichte Auswirkungen der Natur. Freud und Lacan verlassen diesen Standpunkt und kritisieren ihn. Rousseau erkennt bereits, dass die menschliche Sexualität sich von der Sphäre des Bedürfnisses allein löst. Das gerät zum Thema der heutigen Psychoanalyse. So stehen wir mit Kacem vor der Aporie Begehren/Genuss. Hinsichtlich eines Natur-zustandes ist diese Position nicht haltbar. Diese Dinge bezeichnet Kacem als „queer“. Kacems Rousseauismus deute ich mehr als „art brut“. Er nennt es: „la philosophie dans le Bousoir“ (Philosophie im Kuhstall). In diesem Kuhstall gibt es diesen phallisch bestimmten Unterschied zwischen Genuss und Begehren nicht. Auf keinen Fall gibt es diesen Unterscheid auf der weiblichen Seite - hier richtiger beim „Weibchen“. Denn vor der Errichtung von Kultur durch Sprache gab es nicht die Unterscheidung „Mann“ und „Frau“, sondern es gab nur den Säugetierhaften Unterschied von Männchen und Weibchen. In der weiblichen Urlibido dominiert das Weibchen. In diesem Urzustand sind Genuss und Begehren identisch. Zumal die sexuelle Triebhaftigkeit nicht permanent ist, wie beim – kultivierten – Mensch. Das „läufige“ Weibchen erlebt diesen Zustand von identischem Begehren und Genuss in Einem. Wir sprechen von der vorsprachlichen biologischen Ursprünglichkeit, wo in der Brunst der Weibchen Begehr und Genuss ununterscheidbar bleiben. Es besteht die selbe urlibidinöse Substanz, was man als rousseauistische Hypothese verstehen darf. Denn artifiziell ist das Urweibchen in der Brunst keineswegs.
Wir sahen, dass der phallisch bestimmte Sex zwischen Begehren und Genießen unterscheidet. Kacem verneint diesen Unterschied für das urtümliche Weibchen und konstatiert eine vollkommene Identität von Begehren und Genuss. Bei „Weibchen“ müssen nun alle negativen Konnotationen fallen. Trotzdem bleibt Kacem noch viel Arbeit, um „Feminist“ zu werden. „Weibchen“ muss es heißen und nicht „Frau“! Frau bedeutet Tier der Sprache, welches sich vom Tiersein verabschiedet hat. Frau verstehe man artifiziell, Weibchen entkommt einer grundsätzlichen Archaik. Diese Brunst des Weibchens, an der beide, Männchen und Weibchen arbeiten, wird durch den männlichen Genuss, den phallischen Orgasmus unterbrochen. In der Brunstzeit zeigt das Männchen keinen Begehr für das Weibchen. Die Brunst ist ein Genuss für das Weibchen, für das Männchen nicht. Das Weibchen scheint beim Koitus weniger Lust zu empfinden als das Männchen. Dagegen empfindet das Weibchen die Brunst als quasi kontinuierlichen Genuss. Das Männchen kann so was nur im Imaginären, im Raum des Phantasmas empfinden. Frau in Brunst gibt es nicht, nur diskriminierend als frauenfeindliche Metapher in der pornografischen Vorstellungswelt. Es ist eher so, dass beim Weibchen und dann der Frau das Begehren endlos ist. Dies Weibchen empfindet Begehr und Genuss endlos als Einheit. Die Frau begehrt und bleibt frigide. Diese vorgebliche Unersättlichkeit kommt dem Mann unheimlich vor. Am liebsten würde er das erotische Reiben im Begehr unter Zensur stellen. Daher verfällt er auf die Klitorisbeschneidung und deutet den vaginalen Genuss als fraglich. Der Mann versteht die Enormität der Simulation sowieso nicht. Es herrscht Konfusion. Kacem wünscht sich den Moment, an dem alles gesagt werden kann. In der Simulation kann alles vorgetäuscht werden außer dem Klitorisgenuss. Der Mann hat das gewiss nicht unter Kontrolle. Er denkt sich einfach, dass man zum Ziel kommen muss und zwar schnell.
Dagegen fragt die Frau, was soll diese Penetration, warum muss sie obligatorisch sein, was soll die ganze Anstrengung und der männliche Aufwand um die Penetration. Daher wurden laut Lacan die höfische Liebe und der Masochismus erfunden, um diese überflüssige Pflicht zum Koitus, zur Penetration zu vermeiden. Penetration und zielfixiertes schnelles Ende sind für Frauen unverständlich. Deleuze räumt mit einem alten Vorurteil der Psychoanalyse, der Komplementarität des Sadomasochismus auf. Er hält das für eine Fiktion und sieht die masochistische Position für sich selbst. Sie steht keineswegs komplementär zur sadistischen Position. Der Sadismus an sich steht auch nicht komplementär zum Masochismus. In dieser Folge trennt Kacem auch das Klischee „gay“ und „lesbisch“ voneinander, im Hinblick auf die Penetration.
Die männliche homosexuelle Welt praktiziert die Penetration statistisch gesehen sehr viel öfter als heterosexuelle Männer. Dagegen besteht die statistische Mehrheit der lesbischen Praktiken in der Vermeidung der Penetration. Ja selbst innerhalb der sexuellen Minderheiten gibt es Unterminderheiten der „gays“, die diese Penetration vermeiden und bei den „Lesben“ gibt es welche, die sich mit Gewalt/Penetration und Sexspielzeugen überbieten. Daher unterscheiden sich weiblicher Masochismus und männlicher SM. Sie haben nur die Bezeichnung Masochismus gemeinsam und sonst wenig. Masochistisch, sadistisch, lesbisch und schwul/gay kreuzt man meist uninformiert willkürlich. Daher sei die Sexuation a priori nicht gleich und erst durch Erziehung unterschieden, wie Gendergleiche meinen.
Die Singularisierung im Sex erweist, der Masochist hat keine Entsprechung im Sadisten und die männliche Homosexualität unterscheidet sich grundsätzlich von der weiblichen Homosexualität. Dabei gibt es graduelle Unterschiede, die jeden von uns singularisieren. In der (unausgelebten) Immanenz existieren nur Mischformen oder Vermengungen. Männlicher und weiblicher Masochismus lassen sich nicht kreuzen, wie die männliche und die weibliche Homosexualität. Der männlich phallisch-kastrierte Genuss (Ejakulation) bleibt ebenso wenig komplementär mit dem weiblichen Genuss. Das ist eher suplementär als komplementär.
Letztlich geht es um die Katharsis, von Aristoteles aufgebracht und Hegel weiter entwickelt. Hegels Aufhebung meint Aufbewahrung/Abschaffung. Die Brunst des sprechenden Tieres wird abgeschafft und im Begehr-Genuss aufbewahrt. Katharsis bedeutet eine Art Entschlackung des Menschen im Sein der Sexuierung. Sexuierung entsteht nicht durch Erziehung sondern durch Artifizialität des archaisch Animalischen. Mittels Sprache erhalten die Triebe ihre Form. Diese sind auf Katharsis aus. In der Katharsis löst sich die Tragödie des Seinskampfes auf durch Empathie, Mitleid und Bewahrung des Dramas. Schrecken wie Mitleid, die schmerzlichen Affekte geraten zu genussvollen Affekten, wie man bisher hören konnte. Ich erinnere Kacem noch an Nietzsche, der die triebhafte Entfaltung der Libido „dionysisch“ nennt.
Hegel erweitert Aristoteles Katharsis auf alle Bereiche der menschlichen Tätigkeit. Technik stellt so etwas wie die Katharsis der Natur dar. Rousseau will ja die Aufhebung der menschlichen Artifizialität, was Hegel in Dialektik uminterpretiert. Der Urzustand erfährt seine Aufhebung durch Technik und in dieser Technik bleibt der Urgrund strukturell enthalten. Das meint die katharsische Technik. Erst Freud bezieht die Katharsis dann auf die Sexualität. Was ist das Unterbewusste anders als etwas, was unterdrückt und aufbewahrt wird? So ist’s doch mit der Hysterikerin, die die Erinnerung an das sexuelle Trauma unterdrückt und dennoch in ihren Symptomen aufbewahrt. Der Neurotiker unterdrückt ebenfalls sein Trauma und bewahrt es zugleich auf. So kann man Hysterie und Neurotik als katharsische Aufhebung verstehen. Die hieraus rührende Symptome brennen sich wie Hieroglyphen im Körper ein. Der Affekt des Traumas bleibt. Freud deutet das Phänomen eher bei den Frauen als den Männern, obwohl er fest hält, dass es bei den Männern nicht weniger unterdrücktes Unbewusstes gibt, als bei den Frauen. Den Zwangsneurotiker drängt eine Amnesie des ursprünglichen Traumas in die Neurose.
Das Mysterium des weiblichen Genusses gehorcht der gleichen Logik der Unterdrückungs-Aufbewahrung. Libidinös gesehen, unterdrückt die Frau ihre Animalität und bewahrt doch noch etwas davon auf. Man subsumiert, dass der Mensch sich durch die Konservierung dessen definiert, was er selbst negiert hat.
Die Brunst des Tieres kennen wir nicht. Da bleibt eine eventuelle Psyche unbekannt. Der Mensch bleibt das Säugetier, das durch die Wissenschaft im weiteren Sinne von seinem Ursprung getrennt wird. Deshalb versucht er, diesen Ursprung wieder zu erlangen. Das aber gerät stets zur Parodie. Das sprechende Säugetier ist auch das Säugetier der sexuellen Zwangshandlung. In der Erinnerung versuchen wir, das zwanghaft Verlorene wieder zu aktualisieren. Monotheistische Religionen nennen das Ursünde, die ausgerechnet mit Eva beginnt, und Eva möchte die animalische Identität von Begehren und Genuss wiederbeleben. Der Apfel kann als Symbol der Natur gelten. Zuviel Genuss greift um sich und lässt das Begehren absterben. So kommt es zur Parodie. Die Pornografie zeigt die hetero-normale Standartpornografie, die in ihren Filmen tut, als ob Frauen einzig allein genießen wollen und zwar nur den phallischen Genuss (wobei m.E. Frauen zum Mittel männlicher Sexualität degradiert werden). Das Warten darauf und die Durchführung ist nichts anderes als eine Parodie auf archaisches Begehren und Genuss. Mit diesem phallischen Genuss ist dann alles am Ende. Im Mittelpunkt der pornografischen Vorstellungs- und Bildwelt steht die glorreiche phallische Vollendung. Solche „künstlerische“ Umsetzung heißt nichts anderes als buchstäblich umgesetzter Sade. Lacan macht darauf aufmerksam, dass der Schein, der Hinweis auf die Wahrheit ist und zwar der, die wir verloren haben. Diese Wahrheit findet das sprechende Säugetier dadurch wieder, das es parodiert. Letztlich steht an, das Primat des phallischen Genusses zu entmannen. Treibt man Freud auf die Spitze, der den phallischen Genuss als den Höhepunkt aller Sexualität sieht und deshalb der Frau Phallusneid (Penisneid) unterstellt, kann man resümieren, zuletzt geht es nur noch um den Phallus und nicht mehr um seinen Träger. Kein Wunder, dass die Hysterikerin die Nicht-Befriedigung symbolisiert.
Trotzdem fällt auf, dass es vielmehr Transsexuelle gibt, die von einem maskulinen biologischen Ursprung in Richtung Frau gehen, als umgekehrt. Männliche Travestie zielt Richtung Frau. Da muss es doch einen anderen supplementären Genuss der Frau geben, von der man nicht viel weiß, dem man sich durch eine Asymptote zu nähern versucht. Das lässt eine nihilistische Annahme auf Nichtexistenz jeglichen weiblichen Genusses zu. Lacan denkt gar, der weibliche Genuss gehöre letztendlich zum Bereich des hysterischen Scheins. Der weibliche Genuss bleibt geheimnis-umwittert. Mit dem phallischen Genuss allein ist der Frau nicht gedient. Sollte die weibliche Libido archaisch reaktiv und die männliche simpel berechenbar sein? Kacem redet von topologisch weiblicher Libido und algebraisch männlicher Libido. Die weibliche Libido ist unendliche Annäherung an eine für immer verlorene Identität von Begehren und Genuss. Die männliche Libido ist die immer wieder neu begonnene Wiederholung einer unendlichen Algebra, die vom Begehren zum Genuss führt. Dieser unterbricht auf beiden Seiten alles und entleert, bis sie auf beiden Seiten zu neuer Runde aufbricht. Das ist auch die Logik der Sadisten, die zwanghafte algebraische Wiederholung. Es kennzeichnet den Zwangsneurotiker. Der Deleuzsche Masochist richtet sich folglich auf der Ebene des „Frauwerdens“ ein (Verlängerung des „lustvollen“ Begehrens). Der weibliche Masochist, die Masochistin, betreibt nicht die Ausdehnung der Lust, das lange Aufschieben des Genusses, sondern er/sie will durch Parodie zum Genuss kommen. Das ist für sie die Bondage, eine raffinierte Fesselung, Einschnürung, um zu einem Orgasmus zu kommen (wie immer der sein mag), oder durch andere brutale Mittel. Dabei kommt bei dem SM ein grundlegender Begriff auf, nämlich der des „erzwungenen Orgasmus“, der immer nur –rein zufällig?- immer nur bei somatisch weiblichen Subjekten. Hier trennen sich der männliche und weibliche Masochismus.
Als Konsequenz daraus ergibt sich die Frage nach der Singularität. Sie zeigt sich wie folgt: gay/lesbisch, sado/maso etc. So gelangt man zur irreduzierbaren einmaligen und unaustauschbaren „eigenen“ Natur, die diese Singularität ist, welche sich aus diesen und anderen Kombinationen ergibt. Es stellt sich also die Frage der Singularisierung. Da entfaltet sich eine ganze Palette von möglichen Differenzierungen, die viel umfangreicher sind als die, über die der Mann verfügt, zumindest der als landläufig „normal“ geltende Mann. Lacan nennt das bekanntlich das „Phantasma“ des normalen Mannes. Die herrschende normalbürgerliche Sexualität gehört der männlichen Konvention an. Die Palette der Singularisierungen, die mit dem Frauwerden verbunden sind, ist viel umfangreicher als die der männlichen Normalität. Sie reicht von der Frigidität über viele Zwischenstufen bis zu den extremsten und unkontrolliertesten Genüssen. Dies Werden findet man nicht auf Seite des weißen westlichen heterosexuellen Mannes. Deleuze nennt diese Seite ein leeres Transzendentales. Dieser weiße westliche Mann besteht aus phallischer Konvention. Frau werden erweist sich als eine sexuelle – im positiven Sinne – asoziale Existenz. Die Singularisierung geschieht auf Seite der Frau, weil auf männlicher Seite das Trauma vom Orgasmus genau das Gegenteil von Singularisierung bewirkt. Das entkommt bei der Frau der Identität von Begehren = Genuss. Sodass der Mann, wenn er sich der Singularisierung öffnen will, der Seite des Frauwerdens zuwenden muss, wie Deleuze das im Masochismus deutet. In der litteratisierten Parodie bildet sich die Gesamtheit unserer sexuellen Praktiken. Die Suche nach der ursprünglichen Identität zur vollen Wiedererlangung des Begehr-Genusses entkommt der weiblichen Libido. Da schimmert ein Trachten a la Camus durch, denn dessen Recherche führt nie zum Ziel. Man verstehe solche Suche. Sie scheint dazu verdammt, ihr Ende nie zu erreichen und wirkt daher immer singularisierend. Dagegen bleibt die männliche Prozessualität stets auf die Wiederholung von Begehren und Genuss als Trennung ausgerichtet. Das führt zum leeren Prinzip der phallischen Identität zurück. Für die Philosophie zeigen sich hier Konsequenzen. Seit Nietzsche ist das ein Kampf um das Identitätsprinzip. Zielstrebig richtet es sich auf das immer Selbe, dem libidonösen Repetieren aus. Daher deutet Kacem den Philosophen als masochistischen Asket, was er als einen Pleonasmus für Philosoph erklärt. Lacan sieht im Stoizismus einen politisierenden Masochismus. Dieser männliche Stoizismus besteht aus dem Ertragen des Begehrens. Die phallische Lust ist der Part, der das Begehren im Genuss unterbricht und beendet. Eine solche Trennung kann Kacem bei der Frau nicht ausmachen. Bei ihr sieht er allein libidonöse „Substanz“. Er versteht das einfach – und aus männlicher Sicht – wieder kompliziert. Lacan treibt es auf die Spitze indem er von sich gibt: heterosexuell ist, wer Frauen liebt, ob es nun Mann oder Frau ist. Kacem vertritt hier die These, die weibliche Libido sei hier die intensive Asymptote des angenommenen negativen Naturzustandes. Daher seine These: „ bei der Frau hört es nie auf.“ Man erinnere, dass die weibliche Libido aus einem Naturzustand hervorgeht, indem sie während der Brunst unterschiedslos begehrt und genießt, der allein durch den Koitus unterbrochen wird (wo der Koitus die Konsekration des Mannes ist). Die große Mehrheit der Frauen erwartet den Orgasmus durch die einsame oder unterstützte Masturbation, durch ein „Reiben“, das unter Zensur steht. Hierbei muss Lustempfinden gelernt werden im Reiben am Gegen-Stand, an dem, was entgegen steht. Selbstverständlich hört man hier eine kulturelle Konstruktion. Die ursprünglich topologische Frau lernt, etwas zu schätzen, was laut Kacem zur Ordnung der Algebra gehört, und das hängt vom Partner ab. Auf anderer Seite geht das Frauwerden umgekehrt vor. Will Mann Frau werden, gibt es unkonventionelle Entwürfe. Will Frau Mann werden, gestaltet sich das eindeutiger konventioneller.
Das ist die Situation des sprechenden Tieres, das Vermögen, virtuell von einem Geschlecht zum anderen übergehen zu können, auch Dank der Wissenschaft. Tatsächlich hat noch niemand gesehen, wie ein Stier zur Kuh wird oder umgekehrt. Eines Tages wird es vielleicht möglich sein mittels Hormone und Skalpelle.
Das Geschlechtsleben der Menschen mag in der Transformation aufgehen.
Es lässt sich hier mal festhalten, die männliche Libido sucht durchgängig die Penetration in den weiblichen Sexus, in das, was er dafür hält. Die weibliche Libido erweist sich vielfältiger und ist keinesfalls nur komplementär zur männlichen Phallokratie. Die Weiblichkeit sucht und findet ihr Subjekt in vielfältiger Singularität.
Widerlegung des Genderwahnes Teil II
Kacem eröffnet hier nun den Blick auf die Metaphysik, nach seinen bisher libidonösen Thesen im Schnelldurchgang mit Perspektive auf zahlreiche phänomenologische Resultate. Festzuhalten bleibt, dass die moderne Philosophie seit Heidegger ein Denken der Zusammengehörigkeit von Sein und Ereignis ist. Heidegger ist der erste moderne Denker des Ereignisses. Dieser Gedanke konnte erst aufkommen mit Nietzsches Diagnose vom Tode Gottes, wenn Gott also nicht mehr die verantwortliche Institution für das Geschehen von Welt ist (Dann bleibt Platz für das Ereignis. Mit Gott kein Riss im göttlichen System „Welt“.). Kacem versucht, dem nachzudenken, ohne in Post-Heideggerschem-Denken a la Virilio / Baudrillard zu schwimmen, wie er sagt. Festzuhalten bleibt, dass Virilo, Baudrillard, Deleuze bereits das mit Platon überkommene hierarchische Denken ablehnen (was sich im christlichen Glauben wieder spiegelt).
Sprechen doch sämtliche Poststrukturalisten vom „Rhizom“. D. h. so wie ein Rhizom, ein wuchernder Pilz im Dunkel des Erdbodens sich unkontrolliert, wildwachsend unberechenbar ausbreitet, so breitet sich ein (philosophisches) Denken aus, bar jeder hierarchischen Logik, unkalkulierbar. So breiten auch die von Kacem gemeinten Singularien des Subjektes unerwartet extemporiert sich aus und stehen als Ereignis plötzlich da. Das wirft die Frage auf, wie schnell so was vor sich geht.
Man muss feststellen, das Ereignis agiert ähnlich einem der Kunst verwandten Geschehen. Ich erinnere daran, dass Heidegger meint „die Wissenschaft denkt nicht“. Damit ist bedacht, dass die Wissenschaften immer nur bestimmte Seinsbereiche behandeln, also stets eine Lücke oder viele bleiben. Diese Lücken im System nennt Badiou die Leere im Sein des Seienden. - Kacem rügt das Fehlen einer Übersetzung von Heideggers Urtext „Beiträge zur Philosophie“ (vom Ereignis) ins Französische. – Wichtig ist es, zu behalten was das Ereignis macht. Das Ereignis wirkt im Sein des Seienden als Verteiler (von Ereignissen). Wie beim Fußball betreibt das Ereignis ein Zuspiel des Seins. So subsumiert Kacem, je mehr Ereignis es gibt, um so mehr Sein gibt es. Anders herum, am Ereignis wird das Wesen des Seins deutlich. Das Ereignis ist der Hinweis auf die Fülle des Seins. Das Alles enthält Heideggers Text, weshalb ihn Kacem für „leicht wahnsinnig“ hält. Diesem Wahnsinn folge die gesamte französische Philosophie der Nachkriegszeit, spätestens seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute. (Es ist der Wahnsinn, der die Kreativität betreibt.)
Während die Deutschen noch über Heideggers nationalsozialistische Attitüde hadern (Er verstand sich gewiss als „Edelnazi“. A.H. schien ihm nur als bildungsarmer Prolet, den man auf den wahren nationalsozialistischen Weg bringen müsse. Den rassistischen Antisemitismus deutete Heidegger als völlig verstiegene Überziehung des Gestelles, was die Juden vor einer Verurteilung durch Heidegger als Propheten einer kosmischen Algebra nicht bewahrte.), denken die Franzosen weiter. Deshalb bezeichnet man heute Frankreich als das Land der Philosophie (nicht mehr Deutschland und gewiss nicht die USA). Kacem offeriert sich hier als neuer dynamischer (und junger) Denker, während es in unseren Landen eines solchen philosophischen Ereignisses bedarf. Die dominationswütige kritische Theorie (Habermas) weist m. E. eine Menge Leerstellen, die mit Ereignissen zu füllen sind, auf. ( Auch wenn Habermas und Co das mit „nassen Lappen“ „weghauen“ wollen.
Der „offene Diskurs“ ist längst im „Shitstorm“ der tollen „Schwarmintelligenz“ des Internets abgesoffen.)
Kacem spekuliert nun, je langsamer das Sein, desto schneller das Ereignis und im Umkehrschluss, je langsamer das Ereignis desto schneller das Sein. Diese Betrachtung versteht er metaphysisch. Ich verstehe diese Beobachtung als eine Frage der Relation. M. a. W., je mehr Gestell (überbordende Technik), desto mehr tritt das Sein des Seienden zurück. Die Fülle der Ereignisse, die das Sein des Seienden ins Sein stellt (die Mannigfaltigkeit der Welt), lassen dieses Sein langsam erscheinen, weil die Ereignisse es verdecken (Seinsvergessenheit). Dort, wo geringes Ereignis das Sein des Seienden ins Licht stellt, breitet Seinsdunkel sich aus und macht es dem Ereignis schwer sich zu ereignen.
Ist das Sein langsam, geht das Ereignis schnell. Ist das Sein schnell, geht das Ereignis langsam. (Stehen beide, Sein und Ereignis, in Korrespondenz zueinander?)
Deleuze für den das Sein das Virtuelle ist, geht dies Virtuelle schnell und virtuos in unendlicher Geschwindigkeit des Auftauchens und des Verschwindens. So soll das Ereignis in Deleuzes System sein. So geschieht die Verlangsamung, die Konsistenzwerdung des Seins. Daher wir in diesem System das Sein sich stets zurückhalten. Dagegen versteht Kacem Badious Sein platonisch mathematisch. Ontologie gerät zur Mathematik und will ewig unbeweglich sein (mit statischen mathematisch unveränderlichen Größen). So, als ob System ewig sei und sich stets leere Stellen aufwerfen lassen. Der erste Beweger des Seins (Gott/ Allah/ Jehova ...) gilt als oberstes anfängliches Noumenon (Urbild) in einem starren Sein (alle Religionen und Weltanschauungen mit totalitärem Wahrheitsaspekt). Dagegen schlägt das Ereignis schnell aus, sogar blitzschnell.
Dort, wo bei Deleuze das Sein des Seienden eine unendliche Geschwindigkeit des Auftauchens und Verschwindens ist (Heideggers Aletheia), gibt es bei Badiou das Ereignis in dieser unendlichen Geschwindigkeit des Auftauchens und Verschwindens (wegen der Vertikalen), sodass man sich fragt, ob es jemals existiert hat. Den Blitz erkennt man auch nur an seinen Einschlägen. Ich denke, seiend gesehen gibt es bei beiden Philosophen kaum Unterschied, der findet in der metaphysischen Verwurzelung statt.
Ganz in der Denktradition Heideggers meint der Marxist Badiou, das Ereignis sei eine ontologische Figur des Augenblicks: „Es taucht nur auf, um zu verschwinden.“ Ich glaube, bei Deleuze gerät daraus ein Zwinkern und Blinzeln. Im Grunde gibt es das Ereignis nur, um das ins Ereignis Gestellte zum Verschwinden zu bringen. (Bin da anderer Meinung, halte das Ereignis im Heideggerschen Sinne für eine Innovation im Sein des Seienden. Das Neue Ungeheure daran verschwindet nur.)
Kacem zieht daraus den Schluss, dass der „normal männliche phallische Genuss“ ein Auftauchen ist, das verschwindet, sein Maximum ist auch sein Minimum, eben das, was die Psychoanalyse „Kastration“ genannt hat. Das soll auch heißen, dass das Ereignis eigentlich nicht existiert, nicht zum Sein gehört, genau wie der Augenblick bei Aristoteles, das kleinste Kettenglied des Seins der Zeit, wie der Ort im Raum: eine Leere, ein Nichts, das zwar Bedingung für das Auftauchen von Dingen ist, aber selbst als solches nie auftaucht. So deutet Kacem Badious Metaphysik anti-aristotelisch, aber dennoch kompatibel mit Aristoteles, weil Badiou Ereignis und Augenblick gleichsetzt. Das Ereignis befindet sich somit außerhalb des Seins und gehört nicht dazu (eröffnet aber m.E. das Sein des Seienden). Da verlässt Badiou Heidegger, für den Ereignis das Auftauchen des Ungeheuren ist. Daher Heideggers Bezug zur Kunst, welche die Leere im System des Seienden füllt, um so schnell nicht zu verschwinden.
(Als Deutscher mag man festhalten, dass der faschistische Part des National-sozialismus kein Ereignis im Badiouschen Sinne ist. Es handelt sich hier auch nicht um das Ungeheure, da Faschismus und Nationalsozialismus bekannt Gewöhnliches wiedergeben. Man kann das auch vom zeitgenössischen Vulgärmarxismus sagen. Interessant ist es zu beobachten, wie diese „Sozialisten“ als vertikale Phallokraten alle zu früh kommen und sich selbst erledigen. Auch angesichts dieses Zu-Früh-Kommens erweist sich das Gerede vom „tausendjährigen Reich“ als albern. Eine tausend-jährige Ejakulation gibt es nicht! Diese Penetration lässt sich auch in unsere heutigen globalen Wirtschaft und Politik ausmachen. Deren Konventionsapostel „spritzen zu früh ab“ und der kapitalistische Genuss löscht humanes Begehren aus.) Kacem veranlasst die Quasi-Theologie des Ereignisses zu eine langen Dekonstruktion.
Natürlich sind Kacems Gedanken zum „schnellen“ Sein und langsamen Ereignis wie umgekehrt, Beobachtungen von Relationen. Glaube nicht, dass Kacems Auslassungen hierzu absolut sind, verstehe sie relativ. In einer Zeit, in der das Sein sich ihm angemessen ausbreitet (das frühe Mittelalter etwa), muss ein Ereignis plötzlich und überfallartig erscheinen. In der Weite der heutigen natur-wissenschaftlich-technischen Systematik und deren Dominanz muss ein Ereignis schnell und schockierend wirken. Heidegger nennt es „das Ungeheure“. Selbst in der Kunst zieht sich das Ungeheure wieder zurück und zwar insofern, in dem das Ungeheure geheuer wird und zur Konvention gerät. Das Ungeheure zieht sich auch hier schnell zurück. Man denke mal darüber nach, was die Moderne an Ereignis gegenwärtigte, als sie aufbrach!
Ja Cézanne war eigentlich ein im klassischen Sinne gescheiterter Maler. Zentralperspektive und Anatomie, die Regeln der akademischen Malerei interessierten ihn nicht und er konnte sie daher nicht. Aber seine individuellen Lösungen hierzu entäußern bisher unbekanntes Ungeheures. Er tritt das Ereignis „Moderne“ in einer konventionellen Kultur los. Mit ihm tritt die Avantgarde am Aufriss der Alethe an. Ich spreche an diesem Beispiel vom Ereignis, woran es in der orientalischen islamischen Welt etwa seit Jahrhunderten hapert.
Folgt man Deleuze und dessen Deutung der weiblichen Libido, steckt hier wohl noch ein unentdecktes Konvolut an Ereignissen, welches der Aufdeckung in der horizontalen Welt harrt. Die Fülle und Entwicklung dieser Libido in multiplexen Singularien und ihrer Potenzen lassen das Sein des Seienden schnell erscheinen.
Da liegt auch der Unterschied zwischen Heidegger und Deleuze. Deleuze schaut auf das Seiende und Heidegger auf das Sein. Das macht den Unterschied der Geschwindigkeit der Ereignisse aus. Insofern ist das Sein bei Badiou so unbeweglich, denn es ist ein idealistisches Sein in Platons Sinn, Sein als ewiger Ort idealer Ideen. Daraus ergibt sich lt. Kacem die Pulsierung von Verschleierung und Entschleierung, durch die sich Sein geschichtlich enthüllt. Kacem nennt es „proportionale Mathematik“. Geschwindigkeit und Langsamkeit stehen dialektisch gegeneinander. Kacem nennt das Sein unbeweglich bei Badiou, langsam bei Heidegger (Aristoteles) und schnell bei Deleuze (strukturell). Entsprechend erscheint das Ereignis schnell bei Badiou (Platon), weniger schnell bei Heidegger und völlig langsam bei Deleuze.
Daraus ergibt sich, dass Kacem die Sexualität bei Badiou als „transzendentalen Machismo“ versteht, weil es eine Philosophie reiner Virilität sei. Dessen Geschlechterteilung deutet er als festgefahren, wenn nicht gar klischeehaft ( Badiou zitiert Schopenhauer als Ignoranten der Liebe und Deuter des Sex als reines Instrument der Arterhaltung). Heidegger betreibe einen virilen Heroismus, was ihn später dem Weiblichen afin und gar zum ökologischen, alternativen Gutmenschen mache. Deleuze komme zu einer „weiblichen Ontologie“.
Die Urszene der Teilung der Ontologie in männlich und weiblich geht auf Platon und auf Aristoteles zurück. Da sieht nun Kacem eine Bewegung hin zum „metaphysischen Pathischen“, dem Affektuellen in der Philosophie. Aristoteles räumt dem Affektuellen schon einen größeren Platz ein, als dessen geistiger Vater Platon es zulassen will. Aristoteles stellt in seiner Schrift „de Anima“ fest, dass die Seele der Körper des Affekts, der reinen Empfindung ist. Bei Deleuze taucht das als „organloser Körper“ auf, mit dem Beispiel „Masochist“.
Kacem meint dementsprechend, dass das Paar Platon/Aristoteles eine starke Neigung zur Geschlechtertrennung habe. Männliche Ontologie sei vertikal und weibliche Ontologie sei horizontal. Er wähnt, dass weibliche Intellektuelle, die er kennt, sich als Aristotelikerin bekennen. „Frau kann nur Aristotelikerin sein.“
Das bringt uns zur Frage der Leere in der Philosophie. Die männlichen vertikalen Ontologien scheinen „entleerende“ Ontologien. Von Aristoteles bis Spinoza, die großen Naturphilosophen, sind Ontologien, in denen Leere zumeist verworfen wird (Parmenides nicht zu vergessen). Dazu verwirft die weibliche pantheistische Optik das Transzendentale, wofür die männliche Vertikalität steht (Kacem hält sich wohl extra aus der Religion raus. Denn Christentum , Judentum, Islam sind alle aus-nahmslos transzendental verortet). Weibliche Philosophien, Vertreter der Immanenz verwerfen eine mögliche Leere, was Badiou Aristoteles und Spinoza vorwirft. Badiou versteht sich als ersten Philosophen, der „keinerlei Kompromisse mit der Transzendenz geschlossen habe“. Dieses ‚männliche’ Transzendenzdenken hält jede Annäherung an die Immanenz oder Empirie für verdächtig (kein Wunder Badiou ist Marxist). Hier distanziert sich Kacem von Badiou, weil er der Transzendentalste sei in der Geschichte der modernen Philosophie seit Kant. Badiou trennt, im Gegensatz zu Kacem, Sein und Seiendes (wie Heidegger). Heidegger wollte, radikaler als Kant, Schluss mit dem philosophischen Dogmatismus machen.
Kacem richtet sich gegen den mathematisch-logischen Universalismus Badious. Ja, Badiou ist Jude und dazu ein kritisch denkender Jude. Er deutet die Schwäche eines Judentums, welches sich heute vom Holocaust, der Shoa her, dem Bösen also, definiert. Heidegger kritisiert dieses Judentum als Verursacher des algebraischen Gestells, der imaginären Mathematik, einer pythagoreischen Ethik (die kritische Theorie nennt das „antisemitisch“. Doch antisemitisch deute ich einen chauvinistischen Rassewahn, der sich dem „Judentum“ pseudobiologisch überlegen glaubt und Juden als minderwertig desavouiert. Doch Heidegger setzt ganz im Gegenteil die kosmische Intelligenz sehr hoch und dominierend. Er wendet sich – wie Kacem – gegen die darin dominierende Mathematik. Sie „denkt nicht“. Dies stellare Denken ist platonisch, patriarchalisch, vertikal. Heidegger war es als Grundlage des Gestells zuwider. Aber antisemitisch ist das nicht!).
Kacem kommt sehr pantheistisch feminin daher, sollte sich aber vor einer weiblich libidonösen Dogmatik hüten. Immerhin wirft er Badious mathematisch-logischen Universalismus eine starrsinnige Apodiktik vor. (Man sollte hier mal bedenken, was Mathematik eigentlich heißt. Es kommt von „mathematos“ und meint Bekanntes. Die Zahl als bekannte unumstößliche Größe kam später hinzu.)
Badiou kritisiert die unumstößliche Größe des jüdischen Glaubens, aber auch er setzt auf die Mathematik. Doch die Zahl ist nicht das faktisch Reale, Mathematik bedarf keiner Empirie, ist daher transzendental vertikal. Kacem will das nicht wirken lassen und spricht vom „weißen, heterosexuellen, westlichen Mann“, dieser sei das leere Universelle (was ist denn mit dem dunklen, heterosexuellen, östlich arabischen Mann? Ist jener kein leeres Universelles?). Dieser weiße Mann übe mit seiner Philosophie auch ein bisschen ironisches Stammtischgerede aus. Die Philosophie strahle eine Typologie aus Stahlbeton aus. Dagegen stehe halt Spinozas Pantheismus als existierende Ontologie (mit Weibern am Stammtisch? bähh). K. spekuliert, wäre Spinoza ein Moderner, wäre in seiner Ontologie, a la Deleuze, Sein und Ereignis streng und überall dasselbe wie Begehren und Genuss. Im Heideggerschen Sprachgebrauch hieße das, das Sein des Seienden, das Herkünftige des Ereignisses bleibt doch alles Eins. Allein die hermeneutische Behandlung der Sache mache die Differenz aus von etwas, was eigentlich ein Ganzes ist, wie Begehr-Genuss.
(Bin versucht, mal mit Heidegger – im Sinne der ontologischen Differenz – zu deuteln, dass das Sein den Begehr ortet und das Seiende die Mannigfaltigkeit des Genusses eröffnet.) Kacem sieht in der Vermännlichung der Ontologie die Trennung von Begehr und Genuss und die Verweiblichung eine Annäherung von beiden Faktoren. K. verweist auf Catherine Malabou und ihr aktuelles Buch „le Change Heidegger“, in welchem er eine „häretische“ Annäherung zu Heidegger auszumachen glaubt. Denn Sein und Ereignis sind bei ihr definitiv dasselbe. Er nennt das „höflicherweise“ eine „transzendentale Hysterie“ im Gegensatz zu Badious „transzendentalen Machismo“. (Schlage die Bezeichnung „transzendentale Neurose“ vor.) Laut Kacem ist bei Frau Malabou das Seiende in ständiger Veränderung, ständiges Werden, ständige Metamorphose, permanentes Ereignis. Im „transzendentalen Machismo“ bleibt Seiendes statisch, es geschieht nichts eigentlich neues Wichtiges. (Wie soll da „Revolution“ möglich sein!?) So lobt Kacem die „Ausdrucksereignisse“ Madame Malabous im Gegensatz zu Monsieur Badious platonische Phallik. Man glaubt heideggerianisches Denken durch zu hören. „l’étantité vant pour l’étant qui vaut pour l’être. „ (Die Seinhaftigkeit gilt für das Dasein, was für das Seiende gilt) ; « l’échangeabilité absolue de la donne originaire.“ (Die absolute Austauschbarkeit der ursprünglichen Gegebenheit.) Hier klingt eine liberté des Denkens durch, wenn jemand die ursprünglichen Gegebenheiten für austauschbar erklärt. Da bleiben selbstverständlich alle großen Religionen außen vor. Aus Machosicht kommt es noch schlimmer: „ » (Alles lässt sich gegen sich selbst, tout s’échange contre soi, contre l’autre, l’être en faveur de’étant, l’étant en faveur de son l’essence, l’essence en faveur de l’être gegen das Andere austauschen, das Sein zugunsten des Daseins, das Dasein zugunsten seiner Essenz, die Essenz zu Gunsten des Seins.) Denke Frau Professor Malambou betreibt eine herbe Relativierung der überkommenen philosophischen Systematik nach dem Motto, die Dinge eröffnen sich immer wieder neu, je nachdem von welcher Warte man schaut. Da sehen Sein, Dasein, Essenz immer wieder neu aus. Klar erscheint, dass Badiou als letzter Macho und Marxist verliert.
Badiou scheint hier als letzter traditioneller Ontologe überhaupt, bar jeglicher Weiblichkeit und kein bisschen „queer“. Er scheidet ganz klar Sein und Ereignis. Bei allen anderen hier genannten Denkern kommt es zur Vermischung von Sein (Seiendem) und Ereignis, bei Malambou ganz gewiss.
Hiergegen orten wir den Platonismus, der dazu bestimmt scheint, sich im Sadismus zu vollenden. Der Deleuzsche Masochist bemüht sich, die Leere abzuwenden, mit der phallische Genuss das Begehren beendet und „bestraft“, ein phantasmatisch Volles. Männliche Ontologien betreiben eindeutig die Vertikale (Platon bis Kant). Weibliche Ontologien halten sich in der Horizontalen (Aristoteles, Spinoza) auf. Der Antagonismus Badiou – Deleuze drückt das aus.
Die vertikale Ontologie des Männlichen, gilt als Hetero zentriert und trennt sich von der weiblichen Ontologie, in der sich Empirisches und Transzendentales trennen. Kacem zitiert Reiner Schürmann (dt. Philosoph): „die Vernunft, die der Welt objektive Realitäten vorschreibt, weiß das Wesentliche schon vor der Erfahrung. Daher ihre Gewaltsamkeit. Solche Inhalte, die man im Voraus hat, waren die Munition aller Dogmatismen.“ Die cartesianische Version der materiellen Autonomie führt direkt zur „mathematisierten Gesellschaft“ von Condorcet. Das gute alte hetero-heroische Paar muss man auf eine transzendentale Leere (Badiou) rückführen. Die Menschheit der letzten 2.000 Jahre hat dies fasziniert und hat damit die metaphysische Gewalt par excellence maximiert.
Dreht man dies gemäß Deleuzscher Ontologie um, nähert sich das Transzendentale dem Empirischen an. Zugespitzt kann man das einen transzendentalen Empirismus nennen. Dahin geht laut Kacem auch bei Foucault der Trend, zu einem schwulen und extremen Sadomasochismus. Ja Derrida, der Dekonstrukteur des Phallozentrismus, der die empirisch-transzendentale Dublette dekonstruiert, indem er sie in den Abgrund stürzt.
Diese ganze Baustelle will Kacem in „Être et sexuation“ eröffnen, wobei ihm Frau Malabous Denken hilft, die das ontologisch Transzendentale mit konkreter Empirie verbinden will. Sie scheint das gleiche Problem wie Heraklit und Parmenides zu haben, mit denen alle unsere Probleme beginnen. Denke Malabou befindet sich heute in genau so einer anfänglichen Situation, wie die beiden Vorsokratiker, die sich in ihrer Zeit in der Sphäre der Naturphilosophie befanden. Die wir heute wieder auftun sollten! (Zumal die heutige sogenannte Naturbewegung, die „grüne“ Politik sich phallisch transzendental verfangen hat und der irrigen Meinung ist, mit einer Besänftigung des phallokratischen Gestells Naturpolitik betreiben zu können. Dabei verfängt man sich an der Oberfläche eines anthropologischen Physikalismus.
Die Genderthesen sind doch auch nichts anderes als dialektische Thesen zur einseitigen Heterokonvention. Sie können erst überzeugen, wenn Männer das Klimakterium bekommen.) Notwendigkeit zeigt sich auch im symptotischen Genderismus, der die asymptotische weibliche Libido nicht im Blick hat. Kacem vertritt einen Multisex aus weiblicher Libido gegen genderistischen Unisex. Es kann nicht angehen, einen jahrtausendalten Machismo, die Phallokratie, zur Einheits-geschlechtlichkeit zu kastrieren und sich dann noch einbilden, man habe sich vom Patriarchat befreit. Das Gegenteil ist der Fall. Man vertritt einen Sexualfaschismus gegen den dominierenden Phalluskult und betreibt damit Entkultivierung. Kacem dagegen vertritt in „Sein und Sexuierung“ die Auflösung einseitiger Phallokratie in eine multiplexe Sexualontologie auf Grundlage mannigfaltiger weiblicher Libido.
Da kommt die Katharsis ins Spiel. Man denkt an Hegels Katharsis als dialektische Aufhebung. Dabei wird bewahrt, was beseitigt wird. So ist darin die Metaphysik sexuiert, weil jedes Denken immer unterschiedlich und singulär sexuiert ist.
Geschlechtliche Identifikation findet im Hirn statt, was heißt, dass die Zeit der metaphysischen Universität vorbei ist. Machismo wie Gender sind univok und überholt. „Gott ist tot“, die einzelne Prämisse, die transzendente Einzigartigkeit, das Weltprinzip, hat ausgedient. Schon der amerikanisch-englische Pragmatismus hat die alten Evidenzen für aufgehoben erklärt. Die Philosophie, die jemand wählt und produziert, koinzidiert sich immer auf singuläre Weise. So ruft Mehadi Belhaj Kacem dazu auf, die Philosophie als plurale Kritik der Philosophie wieder auf zu greifen (und zwar im Sinn Heideggers Versuch, die Frage nach dem Sein zu pluralisieren und mehrstimmig zu machen). Jeden Zug einer doktrinären und unilateralen Auffassung der Philosophie muss man aussieben. Ja weder männlich noch weiblich, sondern unermüdlich zwischen den verschiedenen Nuancen des Spektrums, das sich zwischen beiden ausdehnt, umherreisend, gerät Metaphysik selbst gewissermaßen „queer“ (schräg). Sie ist schräg, indem sie den kritischen Auftrag der modernen Philosophie wieder aufgreift.
Kacem bekämpft jede präskriptive, apodiktische, dogmatische, subsumierende und neonormative Determination der Philosophie. Kein Wunder, wenn man wie ein archaischer Vorsokratiker neues Denken aufbaut.
So kann man in leicht bi-polarer Weise, und das ist das „queer“-werden der Metaphysik, sagen, dass das Ereignis bei der meta-männlichen Position äußerst selten, prekär und flüchtig ist. Bei der meta-weiblichen Position der Metaphysik kommt es fast immer und überall in einer Art pathischer Immanenz vor.
So kommt es eben auch zu einer philosophischen Psychoanalyse. Die Zeit einer dogmatischen Philosophie – die sämtliche Inhalte überdeckt, welche durch die Vermittlungen des zum Beispiel mathematisch-logischen Transzendentalen sub-sumiert werden, um immer und überall die unilaterale Wahrheit zu verbreiten – ist abgelaufen und zwar endgültig (alle neonormativen, normierenden, vermänn-lichenden Philosophien sind vorbei). So fordert Kacem im Sinne Reiner Schürmanns das Prinzip An-archie, im strengen philosophischen Geist, der Unmöglichkeit einer arché aus der sich alles andere ableiten ließe, insbesondere Normen für das Handeln, in dem das von der Vernunft geleitete Denken, ausgehend von einem ersten, außer Frage stehenden Prinzip, außer Kraft gesetzt wird. Die grundlegende Neuigkeit unserer Epoche ist die endgültige Aufgabe eines solchen Prinzips als oberste Instanz.
Kacem wendet sich gegen das Prinzip als apodiktischen Universalismus des identifizierenden Begriffs und des subsumierenden Transzendentalismus. Die Singularität Kacems ist keineswegs das Absolute, sondern mit Foucault und Schürmann das, was dem (die Differenz Derridas und Deleuze) positiven Universellen der Wissenschaft auf monströse Weise eine Zensur gibt. Diese Zensur bewirkt, dass die kommende philosophische Universalität alles andere als leicht sein wird. Das muss ihr hoch angerechnet werden.
Postskriptum
Kacems Vortrag reflektiert das bis hierher Vorgebrachte nun digressiv (entspannt,gelassen). Sein Vorbringen versteht er epikureisch in dem Sinne, dass der Garten Epikurs die einzige Philosophenschule in der Antike war, in der Frauen zugelassen waren, obwohl man sagen muss, „die Frau“ gibt es nicht! Wie kommt man nun aus der Einsamkeit des fehlenden Feedbacks heraus!?
Ist es hier der natürliche Unterschied der Geschlechter, der hier analytisch kultiviert ist? Es gibt zwei somatisch gekennzeichnete Geschlechter und dies nicht mehr und nicht weniger. Die Gender-Theorie möchte diese Zäsur aufheben und eine Mannigfaltigkeit von Sexuierung denken, die nicht auf zwei Geschlechter reduziert werden kann. („Être et Sexuation“ antwortet auf die Derridasche Wurzel dieses anti-metaphysischen Vorurteils, das selbst schrecklich metaphysisch, also männlich vertikal ist.) Kacem kann und will sich daher nicht zu dieser Gender-Auffassung durchringen. ( Ich denke darüber hinaus, nach allem bisher vorgetragenen, Kacem hält sich vornehm zurück. Denn die dogmatisch auftretende Genderlehre verhält sich sexualfaschistisch, nach dem Motto, gemeinsam sind wir geschlechtlich Schwachen stark und wenn es nur in der gewaltsamen Nivellierung und erfahrungswidrigen Verleugnung der naturbedingten sexuellen Differenzen stattfindet.)
Was an der Gender-Theorie stört, ist, dass sie implizit darauf hinaus läuft, zu sagen, dass all diese Leute, die in der zig-tausendjährigen Geschichte der Menschheit in Aber-Millionen Varianten ihr Frausein oder Mannsein gelebt haben, so gut sie konnten und semantisch auf etwas Reales hinweisen, das nicht zur Diskussion steht. Wie vermessen tritt die Gendersekte auf und maßt sich ungebeten an, all diese Leute hätten nie gewusst, was sie sagen und wollen stattdessen nur die Theorie der Postmetaphysik der Differenz verstehen. 95 % der Sexuierung unserer Zeit entstehen immer noch im Modus dieser Spaltung. Will man die „Mann-Rolle“ oder „Frau-Rolle“ von Jahrtausenden im Realen wie der Literatur beiseite wischen? Der neue Chauvinismus lautet „eingeschlechtlich“, worin das Ressentiment „antimännlich“ lautet. Der größte Macho-Muskelmann und die überdrehteste Kosmetik-Botox Weiblichkeit sind eigentlich Gender-Performanzen. Gender nimmt oft eine überhängende dominierende Position ein, die Gefahr läuft, nur den guten alten Hetero-Machismo, überverhältnismäßig aufzuwerten, während die „arme“ Frau, die sich in Kosmetikgeschichten und Gefühlsduseleien verliert, nur Verachtung verdient. Aus Kacems Sicht verdient jede Singularisierung, selbst die unauffälligste, „gewöhnlichste“ oder vulgärste, eine philosophische Erklärung. Wäre „Gender“ konsequent, würde die Gesamtheit der anthropologischen Singularien als Gender betrachtet. So gewänne sie auch Kacems Sympathie, als sexuelle Avantgarde, welche die Wahrheit jeder Sexuierung exponiert. Doch dazu lassen Kacem die Gender-Lektüren im Stich. Sein „Sein und Sexuierung“ wäre dann die erste Gender-Metaphysik, die diesen Namen auch verdient. Das derzeitige Gender missachtet die Differenz des männlichen und weiblichen Libido.
Die bereits mehrfach erwähnte Catherine Malabou macht darauf aufmerksam, dass ein bestimmtes Gender Leitmotiv, das einen grundlegenden Geschlechtsunterschied leugnet, Gefahr läuft, die Gewalt die Frauen zugeführt wird, unwillkürlich, dafür aber um so brutaler fort zu setzen, indem sie jede „natürliche Eigenschaft“ der Frau leugnet. Diese somatische Angeborenheit gilt leider auf der ganzen Welt als Stigma. Bis zum am besten Informierten, selbst in „transsexualisierbaren“ Körpern, die wir je sind, sind es nicht die somatischen männlichen Körper, welche die Monatsregel haben, die schwanger werden und Gefahr laufen im Kindbett zu sterben usw.