Die Intelligenz und ihr Ableger, die sogenannte künstliche Intelligenz

Kürzlich sprachen wir bei MOMO (siehe "Dozent") über das Thema der „künstlichen Intelligenz“, kurz „K.I.“ genannt. Im englischsprachigen Raum nennt man das „artificial Intelligenz“ (A.I.).

I
Es wurden Si-Fi-Filme zu diesem Thema vorgestellt, wie z.B. „2001 Odyssee im Weltraum“, „Terminator-Filme“ und weitere Science-Fiction-Themen bis hin zu Phantasien über Auswüchse von sich verselbständigenden, selbstherrlichen Computern. Alle Filme dieser Art, das gesamte poetische Narrativ dazu, nähren sich aus überbordender humaner kreativer Phantasie. Daraus spricht letztlich nichts anderes als ein Versuch, menschliche Existenzängste zu bewältigen. Es zeigt sich die Angst, die Aufgaben des Daseins in der Welt nicht schaffen zu können. Existenzängste sind immanent in solchen Si-Fi-Phantastereien vorhanden. Wo einst Götter und Religionen die Menschen forderten und die humane Selbstbestimmung dominierten, kommt jetzt die Angst vor überqualifizierten Maschinen auf, die das menschliche Tun leiten und übertreffen. Einerseits übernimmt die Maschine Tätigkeiten, die ehemals der Mensch mühsam mit Hilfe von Haustieren oder Sklaven zu erledigen suchte, andererseits drohen bestens geübte Maschinen, den qualifiziertesten Menschen bei Weitem zu übertreffen und das „Heft aus der Hand“ zu nehmen. Diese „goldenen Kälber“, zu Robotern mutiert, nehmen dem „rationalen Säugetier“ nicht nur Arbeit und Denken ab sondern das Leben überhaupt. Maschinen helfen, so gesehen, nicht allein bei der Arbeit, sondern leben das Leben des Menschen, der die Maschine zur Bewältigung des Ge-stells (überbordende Technik) der Gewinnung eines leichteren Lebens erfunden hat. Die Maschine beherrscht die Anthropologie und verwirklicht alle humanen Vorstellungen von einem besseren und perfekten Leben. Was man einstmals in die Gotteserscheinung projizierte, wie ewiges gesundes Leben, Allwissenheit, alles können, alles machen, überall zu sein, durch keinerlei Unterschiede oder Mängel behindert zu sein, vermutet man nun in intelligenten Maschinen. Das verweist auf einen mythischen, ja religiösen Charakter des naturwissenschaftlichen utopischen Denkens.

Hier atmet eine gewisse Paranoia in der Vorstellung zur K.I. Aber was ist den Intelligenz überhaupt? Das sollte hinlänglich klar sein, bevor man von dieser artifiziellen Abwandlung spricht.

Vom Wort her entkommt es dem Latein. „Inter legere“ heißt „dazwischen lesen, liegen, sich befinden“. Die Intelligenz befindet sich also zwischen den Dingen, inmitten ihren Begriffen. Die „dem Menschen eigentümliche geistig-verstandesgemäße Begabung, im engeren Sinne die Fähigkeit, sich in ungewohnten Situationen schnell zurechtzufinden, das Wesentliche eines Sachverhaltes oder eines Vorganges richtig und schnell zu erfassen, überhaupt geistige Beweglichkeit, Anpassungsfähigkeit, Neugierde, die Fähigkeit raschen Denkens und Urteilens.“ (Schischkoff, Kröner 1991, S.399) Es handelt sich also um eine Grundkonstitution des Anwesens in der Welt. Welche Reaktions- und Kombinationsfähigkeit besitzt das menschliche Subjekt, um auf die Welt zu reagieren. Ja, im Tier ist davon schon etwas angelegt, besitzt es doch Instinkte, die sein Verarbeiten von Umwelteinflüssen und sein Reagieren darauf steuern. In der christlichen Tradition gibt es die Vorstellung von den Engeln als oberste körperlose Geisteswesen bzw. Intelligenzen. Sie maßregeln im Sinne der Religion die Gläubigen. Gott, Allah, Jahwe dürfen als oberste vorstellbare Intelligenzen gelten, darunter Gott insbesondere als Inkarnation totaler Intelligenz und die Welt wäre laut Spinoza sein Körper.

„Der Grad der Intelligenz ist verschieden, angefangen nahe beim Nullpunkt, bei der Idiotie, bis zum unerklärlichen Höhepunkt beim Genie; ihrer Art nach ist sie reaktiv oder spontan, je nachdem sie ein Anstoß von außen braucht oder nicht, kritisch oder aufbauend, je nachdem sie ein Gegebenes betrachtet oder Neues schafft, theoretisch oder praktisch, je nachdem sie die Denkarbeit oder Tätigkeit des Lebens betrifft (I.typen).“ (Schischkoff, Kröner 1991, S.339)

So hat man die Eruierung der individuellen Intelligenz, den „Intelligenz-Quotienten“ (I.Q.) eingeführt. Hier testet man das jeweilige Intelligenzvermögen. Wobei man letztlich schon in Streit gerät, was an Intelligenz vererbbar und was erwerbbar ist. Manche meinen gar bis 70 % der Intelligenz sei über Generationen hinweg durch Veranlagung weiter gegeben und andere wiederum halten Intelligenz für erlernbar und sozial vermittelbar. Gehört die Intelligenz nun zu einem pädagogischen Programm und verstärkt sich im Laufe des Lebens, und haben intelligente Eltern auch intelligente Kinder? Manche Wissenschaftler machen grundsätzlich die Evolution für die Entwicklung der Intelligenz verantwortlich und berufen als sich als Beispiel auf die Entwicklung der tierischen Instinkte. Es gibt nun mal auch von Natur aus  schwachsinnige Zeitgenossen, wo selbst ausgewählteste Erziehung und Bildung nichts ausrichten. Schließlich ist das Gehirn, allgemein als Sitz der Intelligenz angesehen, ein Bioprodukt. Aus schlechter Qualität lässt sich nun mal kein Spitzenprodukt gewinnen.

Bei der Intelligenzfrage darf man meines Erachtens den Körper nicht vernachlässigen. Er bleibt Trieb gesteuert und die Intelligenz erweist sich auch daran, wie ein naturbestimmter Geist mit seinen Trieben umgeht, und seine Ratio diese zu beherrschen in der Lage ist. Doch allgemein wird darüber diskutiert und gestritten. Bis heute gibt es keine allgemein verbindliche Feststellung darüber, was genau Intelligenz ist. Aber es gibt die Auffassung, dass Körper und Geist untrennbar sind. Der Gedanke vom Gehirn unter der Glaskuppel, welches künstlich am Leben gehalten wird und nur denkt, ist ausgesprochen naiv. Man bedenke, der größte Teil des Gehirns leitet Tätigkeiten des Körpers, der denkende Teil ist nur der kleinste.

II
Zustände des Körpers beeinflussen das Denken. Der klassische Spruch vom gesunden Geist im gesunden Körper („mens sana in corpore sano“) kommt nicht von ungefähr. Der Placebo-Effekt beweist die Verbindung zwischen Körper und Geist. Auch die Verbindung von Liebe und körperlicher Leidenschaft verweist auf die Immanenz von Intelligenz und Emotion. Man darf sich von der akademischen Prüdität das abstrakte Denken, vom stofflich Triebhaften zu trennen, nicht irritieren lassen. Wissenschaft ist auch nur eine neue Variante von Religion. (Mehr dazu später a.a.O..) Weil nichts kontingent befangen ist, gelingt die Trennung Körper-Geist nicht wirklich. Intelligenz kommt durchaus auch „aus dem Bauch“.

III
Das Definitionsproblem von Intelligenz schlägt auch bei der Beschreibung von Artficial Intelligenz nieder. Diese muss ohne Körperlichkeit auskommen. K.I. darf prinzipiell als rein technisches Phänomen, welches auf Basis von mathematisch konnotierter Mechanik funktioniert, verstanden werden. Diese Intelligenz hat die Quantität zur Basis, während die menschliche Intelligenz nicht ohne Qualität denkbar scheint. Diese bleibt natürlich geprägt, während die K.I. die biologische Qualität nie erreicht. Die K.I. rechnet, sie denkt nicht eigentlich. Daher lassen sich wissenschaftliche Erkenntnisse, ihre Sätze und Aussagen auf sie übertragen. Doch mit dem poetischen Trauma wird es schwierig. Man hat es mal mit Computerkunst versucht, doch mehr als schablonenhafte Stereotypen kam dabei nicht heraus. Das Ungeheure der Kunst, abseits gewöhnlicher Konvention, kann diese Rechenmaschine nicht leisten. Ihr bleibt nur das, was ihr eingegeben wurde. Darin ist sie schneller und kombinationsfreudiger. Da zeigt sich der Vorteil von Schachcomputern. Diese mögen Schachmeister schlagen, doch einen neuen Michelangelo, Baselitz, Twombly oder Mozart, Bach oder Verdi mögen sie nicht hervor zu bringen, allenfalls eklektizistisch nach zu ahmen. Der Computer, die Denkmaschine, leben vom anthropologischen Vorbild. Ihre Aufgabe ist es, den Menschen zu kopieren, nur in verbesserter leistungsfähigeren Form.

Solange die menschliche Intelligenz nicht umfassend befriedigend geklärt ist, wird die K.I. nicht wissenschaftlich restlos gedeutet werden können. Das humane Vorbild bleibt in seinem Fluxus, wenn es nicht überhaupt offen bleiben muss bis zum Ende seiner Tage. Eine wirklich gelungene K.I. wird wohl erst von einem frierenden und weinenden Roboter erreicht, der Sex hat und sich selbst reproduziert.